In der christlichen Gesellschaft des Mittelalters kommt den Heiligen
eine enorme Bedeutung zu. Man ruft sie in der Not, pilgert
zu ihren Gräbern, handelt mit ihren Reliquien, ihre Gedenktage
strukturieren das Kirchenjahr – und man schreibt, liest und
predigt ihre Geschichten als Vorbild in allen Lebenslagen. Die
Vorlesung führt in die Bedeutung und die literarischen Erscheinungsformen
mittelalterlicher Heiligenlegenden ein. Am Anfang
steht ein Überblick zur Entstehung von Heiligenlegenden
und über die Typologie von Heiligen. Eine überraschend große
Rolle spielen dabei die Antipoden heiligmäßigen Lebens: Sünde,
Versuchung, Verführung, Teufel und Dämonen. Der größte Teil
der Vorlesungen gilt den Legenden selbst. Sie liegen in Vielfältiger
Form vor. Nahezu alle großen Autoren höfischer Romane
verfassten auch Verslegenden. Neben umfangreichen Legenden
einzelner Heiliger stehen auch volkssprachliche Großunternehmungen,
die in gewaltigen Legendaren in Vers oder Prosa die
Geschichten aller Heiligen vereinen möchten. Am Ende der Vorlesung
steht ein Blick auf das Nachleben der Heiligenlegende.
Humanisten wie Erasmus von Rotterdam hielten sie für Fabulae
Fictae (erfundene Geschichten). Martin Luther bezeichnete sie
despektierlich als Lügenden. Und dennoch schrieben noch Goethe
und Kleist Legenden.

Eine offene Vorlesung der germanistischen Mediävistik und
Frühneuzeitforschung am KIT.

TERMIN

Ab Mittwoch, 23.10.2019, 15.45 – 17.15 Uhr

ENTGELT

Der Eintritt ist frei. Keine Anmeldung erforderlich.